Donnerstag, 25. Januar 2007

Diskussionsprotokoll zur 11. Einheit am 19.01.2007 von 11.30-13.00 Uhr

Thema: Veröffentlichung des Persönlichen? – Webpages – Webcams – Weblogs

Der Vortrag im Überblick

Ø Persönlichkeitsmerkmale und Motive von Homepagebesitzern
o Form des Narzissmus, Missbrauch des Webs, Spiel mit Identität?

Ø Selbstdarstellung
o direkt/indirekt; verändert sich Selbstdarstellung im Alltag

Ø Webcams
o Globalisierung der Wahrnehmung, Fenster in den virtuellen Raum der Kommunikation, Inszenierung von Privatheit

Ø Tagebücher auf privaten Homepages
„one-to-many“-Kommunikation, Dokument vieler und nicht eines Einzelnen

Während des Referats wurde eingeworfen, dass laut Bernd Jürgen Warneken (Die Ethnographie popularer Kulturen, Wien u. 2006, 9 f.), die Begriffe Populärkultur und Popularkultur unterschieden werden können.

Was bedeutet eigentlich Privatheit?

In der anschließenden Diskussion ergänzt eine Referentin noch, dass die Definition von Privatheit unterschiedlichen Vorstellungen unterliege. Es gebe daher keine exakte Definition. Man könne den Begriff der Privatheit wohl am ehesten mit räumlicher Abgegrenztheit und Bezogenheit auf sich selbst umschreiben.
Eine Seminarteilnehmerin stellt die These auf, dass der Trend von „Menschen wie du und ich“, Privates in die Öffentlichkeit zu bringen, darauf zurückzuführen sei, dass diese zu Stars mutieren wollen. Denn umgekehrt seien Prominente sehr darauf bedacht, ihre Privatsphäre zu schützen.
Die Frage, wo eigentlich die Grenzen zwischen Privatheit und Intimität legen, wurde aufgeworfen. Bei Reaktionen von Stars könne man einen Unterschied erkennen, denn diese hätten zwar kein Problem mit der Veröffentlichung von Privatfotos, aber mit der von intimen Fotos schon.
Was heißt also privat? Eine Kollegin meint, die Definition hänge vom subjektivem Empfinden ab. So wissen z. B. manche Ehepaare voneinander nicht einmal, was sie wählen; dagegen plakatieren Aktivisten ihre politische Meinung geradezu. Dies sei wiederum als Selbstdarstellung zu interpretieren.
Solange man selbst die Kontrolle über das habe, was vom Privaten nach außen gelangt, werde die Privatsphäre nicht verletzt.
Ein Teilnehmer spricht in diesem Zusammenhang von Erving Goffman, der die Begriffe Vorder- und Hinterbühne verwende, wobei die Hinterbühne die Privatheit signalisiere, auf der man sich auf das vorbereiten könne, was auf der Vorderbühne auf einen zukomme.

Was sind Faktoren, die Privatheit konstituieren?

Auf diese Frage lautete eine Antwort: Wenn sie publik wird.
Stars sei es oft egal, wenn ihr Sexualleben an die Öffentlichkeit kommt, doch sei es oft ein Problem für sie, wenn ihr Privatname bekannt wird. Damit wurde bestätigt, dass es dabei um subjektives Empfinden geht.
Es gehe um die Frage der Vor- und Nachteile. Es stehe immer ein Zweck dahinter, so kann z.B. auch negative Publicity positive Effekte haben.
In den USA gibt es mittlerweile eine Firma, die sich auf das Löschen von Einträgen im Web spezialisiert haben, die über oder von demjenigen/derjenigen veröffentlicht wurden.
Öffentlichkeit sei also relativ. Es könne sogar vorkommen, dass die Einträge erst zu einem späteren Zeitpunkt unangenehm werden. Die Vergangenheit könne einen sozusagen einholen.
Wir stellten fest, dass Privatheit schwierig zu bestimmen ist, aber tun wir das zu beliebig?

Ist es zufällig?

Laut Pierre Bourdieu seien auch Geschmacksfragen sozial strukturiert, also wieso sollte die subjektive Definition von Privatheit zufällig passieren. Von daher wäre nach Kriterien zu fragen, die bestimmen, was unterschiedliche soziale Gruppen als privat empfinden. Durch das Phänomen der Anonymität in der Internetkommunikation fallen gewisse Merkmale der ko-präsenten Kommunikation weg. Das kann dazu führen, dass z.B. intimere Dinge leichter beredet werden können.
Insofern hänge es also immer von den Konsequenzen ab, die sich daraus für den/die jeweilige/n Nutzer ergeben. Während offenbar in nicht wenigen Fällen kaum heraus zu bekommen ist, wie viel jemand verdient, hat er u.U. kein Problem sein ganzes privates Leben auf einer Homepage auszubreiten (Fotos von Haus und Familie z.B.).

Gibt es kulturelle Unterschiede?

Unter Menschen aus gleichen sozialen Lagen trifft man oft auf ein ähnliches Verständnis von Privatheit.
Über Kriegsopfer und die Opfer des Tsunami wurden Fotos ins Internet gestellt, doch darüber habe sich selten jemand beschwert, da dieses anonym passierte.
Bevor man behauptet, dass sich Öffentlichkeit in der Internetkommunikation verschiebe, solle man das Phänomen der Anonymität mitbedenken.

Ist Anonymität eine Utopie?

Schließlich wurde diskutiert, in welcher Weise im Internet tatsächlich Anonymität gewahrt werden können. Eine Position lautet, dass im virtuellen Raum nichts anonym sei oder bleibe. Die Anonymität lasse sich mit ausreichendem technischen Wissen und Ausdauer so gut wie immer aufdecken.
Der Nickname ist nur eine Konstruktion. Man gebe sich als jemand anders aus und ändere so seine Identität. 08/15 User täten sich diesen Aufwand gar nicht an.
Es stellt sich die Frage, ob die User überhaupt anonym bleiben wollen. Jeder, der die wahre Identität von jemandem wissen will, könne es heraus finden, mit den entsprechenden technischen Vorraussetzungen. Wenn es sich um kriminelle Tätigkeiten handelt, liege der Fall sowieso anders, da man dann auch eher bereit ist, viel Zeit zu investieren.
Das Beispiel eines Mädchens wird in die Diskussion geworfen: Ein Kind wurde sexuell missbraucht. Die Polizei verfügte über entsprechende Photos. Sie stellte das Bild des Opfers des Verbrechen ins Internet und so konnte es identifiziert werden. Einerseits vermochte man sie auf diese Weise zwar ausfindig machen (und vor eventuell neuen Übergriffen beschützen werden, andererseits ist ihre Geschichte jetzt bekannt, nämlich dass sie sexuell missbraucht wurde. Sie kann nicht mehr selbst entscheiden, mit wem sie darüber reden will. Es wird öffentlich diskutiert.
Im Netz seien solche Fälle nachhaltiger. Es werden ständig neue Suchsysteme entwickelt. Vielleicht sei es irgendwann möglich, personengefilterte Daten abzurufen.
Es habe Konsequenzen, wenn der Aufwand weniger wird.

Bewusstsein über das, was veröffentlicht wird?

Es werde häufig dementiert, dass bei NutzerInnen kein Bewusstsein darüber bestünde, dass das was sie ins Internet stellen, der Öffentlichkeit zugänglich wird.
Viele sagen sich auch, sie haben nichts zu verbergen.
Oft würden Details ins Netz gestellt, weil man glaube, es würde niemand lesen.
Google löscht allerdings selten bis kaum und oft wisse man gar nicht, was über sich selbst im Netz alles zu lesen ist. 97% der Personalchefs googeln ihre Mitarbeiter bevor sie sie einstellen.
Diese Tatsache solle man sich vor Augen halten, bevor man sich im Internet präsentiert. Dabei solle man sich vor allem die Frage stellen: Wie will ich mich präsentieren und welchen Zweck verfolge ich damit?
Die gegenwärtige gesellschaftliche Anforderung laute sich als Subjekt („Sei das Subjekt Deiner selbst“) zu konstituieren . Es gehe dabei um die je eigene Sinngebung. Foucault spricht in diesem Zusammenhang von „Selbsttechnologie“. Es gehe nicht mehr um Befehle, sondern um Selbstorganisation. In diesem Sinne, so eine These, könnten Weblogs helfen diese Fähigkeiten einzuüben. Sie seien folglich funktional für die neuen gesellschaftlichen Anforderungen.
In diesem Zusammenhang fügte ein Seminarteilnehmer hinzu, dass Anonymität wichtig sei, um Herrschaftstechniken zu entgehen. Für viele sei dies aber ein Problem, da sie selbst ihre Identität noch nicht entwickelt hätten. Bei Jugendlichen seien solche möglichen Fehler aber notwendig, als Lern- bzw. Ablösungsprozess. Letzterer sei, vor allem in unserer Gesellschaft, nicht zu umgehen.

AngelikaD
iriss - 27. Jan, 17:10

Zusätzliche Bemerkungen

Im Zeitalter elektronischer Massenkommunikation ist es wichtig selbst die Kontrolle über abgehende und eingehende Daten zu behalten.
Offensichtlich ist es ein Bedürnis vieler sich zu zeigen und gesehen zu werden (Identitätsdarstellung). Net und TV bieten dafür die ideale Plattform für Schau- und Zeigelustige. Enttabuisierung, Exhibitionismus, Narzissmus und Voyeurismus charakterisieren unsere Zeit. Reality TV korrespondiert mit Internet Webcams und Tagebuchlogs.
Der Einzelne wird nicht wissen, welche Infos über ihn gespeichert sind, wo diese Info gespeichert sind, ob diese Infos richtig oder falsch sind, wer Zugang zu diesen Infos hat, wer mit diesen Infos über ihn was macht, ob und inwieweit seine elektronisch verschickten Daten nicht unterwegs im Net manipuliert oder kopiert werden, ob den elektronischen Datenleistungen vertraut werden kann, denn kein Dienstleister muss seine Systeme auf Sicherheiten prüfen lassen. Wir müssen endlich mehr über diejenigen wissen, die über uns wachen und über uns Datenbanken anlegen - und darüber was sie mit ihrem Wissen anstellen.
Weblog Einträge werden langfristig archiviert, deshalb sollten Blogger genau überlegen was und wie sie formulieren.
Muss lernen mir der Vielfalt und den Folgen der heutigen Medien umzugehen.

Vom Tagebuch zum Weblog - Zum Wandel eines analogen Kulturmusters

Ein Seminarweblog aus dem Institut für Volkskunde und Kulturanthropologie der Karl-Franzens-Universität Graz

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