Samstag, 13. Januar 2007

Diskussionsprotokoll zur 6. Einheit am 17.11.2006

Thema: Tagebuch und Weblog: Subjektiv und authentisch? Sprachliche Aspekte in Ego-Zeugnissen. Die Rückkehr des Autors?

Zu Beginn der Diskussion verweist der Seminarleiter auf den Begriff Selbsttechnologie im Kontext von Weblogs. „Der Begriff der Selbsttechnologie geht auf Foucault zurück. Er konzipierte in [sic] als Gegensatz zu Herrschaftstechnologien, die stärker auf die Unterwerfung des Individuums zielen.“ Der Begriff soll somit ausdrücken, dass sich das Individuum durch bewusstes Denken und Handeln transformiert und sich so in einen Zustand von Zufriedenheit und Glückseeligkeit versetzt (vgl. Julia Franz: Praktiken des Bloggens im Spannungsfeld von Demokratie und Kontrolle, Seite 3). Mit dem Verfassen von Blogs verhält es sich ähnlich, da dies nicht fremdbestimmt ist und daher eine Art der Selbstpräsentation bzw. Selbstverwirklichung darstellt.

Weblog als Selbstinszenierung?

Es kommt die Frage auf ob Weblogs nicht hauptsächlich zur Selbstinszenierung verfasst werden. Von einigen wurde befunden, dass dies zutrifft weil Weblogs meist in der Hoffnung von anderen gelesen zu werden geschrieben werden. Im Gegensatz dazu gilt das Tagebuch als persönlicher, weil die VerfasserInnen davon ausgehen können, dass es von keinem Dritten gelesen wird.

Politikerblogs

In weiterer Folge wird die Frage gestellt, wer Politikerblogs liest, wenn diese hauptsächlich der Selbstinszenierung dienen d.h. als Marketingstrategie eingesetzt werden.
Es wurde die Vermutung angestellt, dass sich v.a. Aktivisten für die Inhalte dieser Blogs interessieren könnten. Ein Beispiel aus dem Präsidentschaftswahlkamp in den USA zeige eine nur begrenzte Reichweite von Blogs. Man nahm dort an, dass ein Politiker, dessen Blog als erfolgreich galt und viele Zugriffe zu verzeichnen gehabt hatte, auch dementsprechend viele Wähler haben würde. Dies hat sich jedoch nicht bewahrheitet.

Blog vs. Tagebuch

Im Gegensatz zu Tagebüchern, die nicht-öffentlich sind und für deren Inhalt man aus diesem Grund nicht belangt werden kann, ist das Verfassen eines Weblogs mit gewissen Einschränkungen verbunden. Weblogs sind öffentlich zugänglich, weshalb sich die VerfasserInnen mit anderen juristischen Vorgaben auseinandersetzen müssen.

Weiters kam die Frage auf, ob es bereits Statistiken gibt, die eine Entwicklung des Tagebuchschreibens dokumentieren. Eine Ansicht dazu war, dass es heute aufgrund der Weblogs, die das Führen eines Tagebuches sehr leicht machen, mehr „Tagebuchschreiber“ geben könnte. Es gibt jedoch dahingehend keine Studien, weil das Phänomen noch zu jung ist und es keine Zahlen von früher gibt, die einen Vergleich ermöglichen.

Zusätzlich wird bemerkt, dass die softwaretechnische Vereinfachung des Weblog-Schreibens mittels Tools und Templates es offenbar jedem ermöglicht, ein ansprechendes Design für das Weblog zu erstellen.

Kulturelle Aspekte des Bloggens

Auf die Frage ob die Alltagssprache durch das Bloggen verändert würde bemerkte eine Studentin, die selbst einen Blog führt, dass dies unbewusst passieren würde. Im Rahmen der Diskussion um eine mögliche Sprachveränderung lautete eine Position, dass Sprache einem ständigen Wandel unterworfen ist und daher nicht für alle Zeiten gültig bleiben kann.

Zum kulturellen Aspekt des Internets wird erwähnt, dass das Internet zur Stabilisierung sozialer Beziehungen beitrage. Außerdem ermögliche es ein zivilisiertes Kommunizieren in prekären Situationen wie z.B. Scheidungssituationen.

LydiaM & MarionM
astrid.m - 18. Apr, 12:12

ad Protokoll

Ich möchte in folgenden Zeilen auf zwei mir in der Diskussion rund um das Thema wichtige bzw. interessante Aspekte des Politikerblogs und der Stabilisierung der sozialen Beziehungen durch Blogs und das aktive bloggen eingehen. Ich beziehe mich dabei auf die Diplomarbeit von Bengt Feil Uni Hamburg2006 sowie eigene Beobachtungen und Erfahrungen .

Eckpunkte in dieser Arbeit sind u.a. die Theorie der Selbsttechnologie von Foucault, Demo-kratie und Kontrolle, und die Habermas`sche Theorie.

„Der Kern der Habermas´schen Theorie ist laut Coenen (2005), „dass die öffentliche bürger-schaftliche Deliberation politischer Themen von zentraler Bedeutung für die Demokratie ist“ (vgl. Habermas, 1992; Scheyli, 2000; Palazzo, 2002). Unter Deliberation wird eine rationale Diskussion verstanden, welche das Für und Wider bestimmter Positionen argumentativ ab-wägt (Palazzo, 2002; Coenen, 2005). Somit ist die Diskurstheorie Grundlage der deliberati-ven Demokratietheorie (Scheyli, 2000). Ziel eines solchen öffentlichen Diskurses kann der Konsens sein, allerdings muss dieser nicht zwingend erfolgen (Coenen, 2005). So ist der Kon-sens, wenn es ihn gibt, das Ergebnis und nicht der Input des Diskurses, denn er muss im Laufe der Deliberation erst entstehen (Palazzo, 2002; vgl. Scheyli, 2000).

Das Ergebnis beruht also auf dem Austausch der Argumente und der Möglichkeit, dass sich durch diese private Meinungen ändern können.“

So sind meiner Meinung nach Politikerblogs nicht ausschließlich der Selbstinszenierung ge-widmet, sondern dem informativen Gedankenaustausch, der Verbreitung parteipolitischer Anliegen und natürlich auch dem Publik machen des Parteiteams und deren Ziele. Besonders möchte ich auf die Seite 63 „Blogger und Leser als Multiplikatoren“ verweisen in dem be-schrieben wird, dass nicht nur der Blog sondern auch der Blogger selbst als Medium fungiert und so zum „Parteipolitischen Instrument“ wird




Weiters möchte ich noch zum Kulturellen Aspekt des bloggens folgendes hinzufügen:
Ich vertrete auch die Meinung, dass das Internet zur Stabilisierung sozialer Beziehung unter Freunden bzw. „positiv gesinnter Menschen“ beiträgt aber ich kenne kein Beispiel für „zivili-siertes Kommunizieren in prekären Situationen wie Scheidung“.

Es erscheint mir schwierig von einer solchen Aussage auszugehen, wenn ein normales Gespräch unter 4 Augen schon eskaliert. Natürlich könnte man jetzt von einer gewissen Distanz ausgehen, die diese Situation entschärft und „die Wogen glättet“ aber ich würde nicht so weit gehen und das Medium Inter-net, Blog, E-mail etc. als neune Kommunikationsebene für „gepflegte Streitgespräche“ defi-nieren. Würde dies zutreffen, müssten sämtliche politische Diskussionen, Ehestreits und sons-tige Differenzen in Zukunft über Blogs geführt werden.

Vom Tagebuch zum Weblog - Zum Wandel eines analogen Kulturmusters

Ein Seminarweblog aus dem Institut für Volkskunde und Kulturanthropologie der Karl-Franzens-Universität Graz

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